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Wortbildungszentrum

Der unbewußte Teil des 4. Zentrums

Die Lehre des Vierten Weges unterscheidet vier (niedere) Funktionszentren im Menschen: das instinktive, motorische, emotionale und intellektuelle Gehirn bzw. Zentrum. Jedes dieser Zentren ist, entsprechend des Grades an Bewußtheit, dreigeteilt.

Eine wichtige Rolle im alltäglichen Umgang und Verhalten der Menschen spielt hierbei der mechanische (unbewußte, automatisch reagierende) Teil des intellektuellen bzw. Denk-Zentrums. Dieser wird Wortbildungszentrum (auch formatorisches Zentrum) genannt und umfaßt, wie der Name bereits sagt, die verselbständigte Produktion sprachlicher Formulierungen. Der hierbei geschehende Ablauf, von Schamanen wie Don Juan Matus (siehe Carlos Castaneda) auch „Innerer Dialog“ genannt, gehört zu den großen Tabus des Alltagsweltbilds und zugleich zu den großen Geheimnissen der Selbsterkenntnis. Es ist nämlich praktisch unmöglich, im Wachschlaf-Zustand des Alltagsbewußtseins etwas anderes zu erleben als ein hilfloses Ausgeliefert-Sein an diesen Automatismus. Der Verstand erzeugt unablässig Worte und Sprachfetzen im Kopf, die wie der Traum eines Verrückten durch die Innenwelt rattern, assoziativ auf jegliche äußeren Reize reagieren und die eigentliche Wahrnehmung des Augenblicks verhüllen, umdeuten und meistens auch verzerren.

Duales Bewerten

Neben diesen ersten Aufschlüssen ist weiterhin folgendes wichtig zum Verständnis der Funktionsweise des Wortbildungszentrums: Es kann im wesentlichen nur binär agieren. Es erschafft ständig duale Gegensatzpaare:

Gerade am Zurückfallen eines Urteilsvermögens auf derartige reflexartigen Einordnungen läßt sich das Wortbildungszentrum leicht erkennen.

Zwanghafte Schubladenbildung

Eine weitere Eigenschaft ist das zwanghafte Bilden von Schubladen und die Sucht, alles, was einem passiert, in irgendeine Schublade bzw. Kategorie einzuordnen. Man kann daraus auch schließen: Das Wortbildungszentrum ist diejenige intellektuelle Instanz, die den Ansturm der Wirklichkeit auf das Bewußtsein des Menschen auf geistigem Wege abzudämmen und zu vermeiden trachtet. In diesem Wirken kommt sie einer pausenlosen Selbsthypnose gleich. Dieser Effekt wird aber dadurch noch viel stärker, daß sich gleichartige Reaktionsweisen bei der Mehrzahl der Menschen findet und daher leicht gemeinsame Ideologien und scheinbare Modelle der „Erklärung“ der Wirklichkeit bilden lassen — was den Betreffenden wiederum den Eindruck vermittelt, auf der richtigen Seite zu stehen. Es ist ein Weg, der Lebensangst zu entgehen und damit natürlich zugleich auch den Auswirkungen der Lebenskraft.

Gerd-Lothar Reschke (NR-Wiki) 16.2.2009