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Freundschaft

Widersprüchliche Vorstellungen von Freundschaft

Kumpanei aus Schwäche und/oder Profitgier

Es gibt zwei hauptsächliche Vorstellungen von Freundschaft, die sich gegenüberstehen, aber oft auch vermischen, eine oberflächliche und eine tiefergehende. Die oberflächliche betrachtet Freunde als etwas, das man bei Bedarf benutzen kann. Da geht es um „gegenseitige Hilfe“, um „Gleichgesinnte“ oder um „Menschen, die zu mir passen“. Demnach ist ein Freund dazu da, daß man sich nicht einsam fühlt, Geselligkeit erlebt oder daß man jemand zum Reden hat, wenn man alleine nicht mehr klarkommt — es geht also darum, sich das Leben erträglicher und angenehmer zu gestalten. Man bestätigt sich gegenseitig seine Meinungen, man schafft Abhängigkeiten, man riegelt sich von allem ab, was „anders“ als man selbst ist und vermeidet auf diese Weise, mit den eigenen Grenzen konfrontiert zu werden. Das meiste, was unter dem Begriff „Freundschaft“ geführt wird, lässt sich auf den Begriff „Kumpanei“ reduzieren, und man findet es in Cliquen und Zirkeln, die sich nach außen abschotten und zusammen gegen eine angeblich feindliche und unverständige Welt verbünden.

Ein typischer Aspekt dieses Umgangs besteht darin, daß man sich auf einer gemeinsamen Ebene von Verantwortungslosigkeit und Drückebergerei zusammenschließt. Da wird dann z.B. gerne über Probleme geredet, aber ohne dann daraus die nötigen praktischen Konsequenzen zu ziehen. Oder man bestätigt sich gegenseitig die Unmöglichkeit, einer Sucht zu entkommen und das eigene Leben in Ordnung zu bringen. (Ehefrauen treffen sich und erzählen sich Jammergeschichten über das Unverständnis und die Rohheit ihrer Männer; Ehemänner lästern über ihre Frauen und lassen so den Druck ab, zuhause wieder den kürzeren ziehen zu müssen. Stichwort: „Wer nur redet, handelt nicht.“)

Schafft es einer aber doch, aus dem Sumpf zu entrinnen, so sind derartige Freundschaften in aller Regel schneller zuende, als man glauben könnte.

Die Freundschaft als gegenseitige Bereicherung und Förderung

Der tiefergehende Ansatz, was Freunde seien, nimmt das Andersartige und manchmal auch Unangenehme des Gegenübers konstruktiv mit hinein: Ein Freund ist demnach jemand, der einem hilft, sich selbst besser kennenzulernen, sich zu entfalten und sein tieferes Wesen zu entdecken. Er bestärkt einen bei diesem Abenteuer. Diese Auffassung von Freundschaft beinhaltet ein starkes Element von Freiheit: Man läßt den anderen gehen und heißt ihn willkommen, wenn er wiederkommt. Es gibt sogar den bedenkenswerten Ausspruch, daß es einer Freundschaft gut tue, wenn man sich nicht dauernd sieht, sondern wenn mitunter längere Pausen dazwischenliegen. Es ist dann immer auch sehr aufschlußreich für einen selbst, mitzuerleben, inwiefern sich der andere verändert hat — und sich gleichzeitig der Veränderungen bei einem selbst durch diese Verschiebung gewahr zu werden.

Ein wichtiger Aspekt dieser konstruktiven Art von Freundschaft ist, daß beide (nicht nur einer von beiden!) mehr in die Beziehung einbringen, als sie, im egoistischen Sinn verstanden, dabei herausholen (an Nutzen profitieren). Daß beide Seiten Freude daran empfinden, sich immer wieder gebend und mitteilend aneinander zu wenden, kann geradezu als Definition einer guten Freundschaft gelten. Entsprechend führt dieser Umgang, der so dann nämlich ganz von Herzen kommt, zu einer anderen Form von Bereicherung, nämlich zu der, bei der man gewinnt, was man verschenkt, und verliert, was man nicht zu geben imstande ist.

Der Scheincharakter sexueller Freundschaften

Erwähnt sei noch, daß sexuelle Partnerschaften, auch wenn sie zumeist mit Freundschaften gleichgesetzt werden (nach sexuellen Kontakten wird automatisch gesagt: „Das ist mein Freund“ / „das ist meine Freundin“), nur sehr selten solche darstellen. Was leicht daran zu erkennen ist, daß mit Ende der sexuellen Beziehung fast immer auch die angebliche Freundschaft endet und sich die ehemaligen Partner oft gar nicht mehr begegnen, ja sogar von der früheren Beziehung in abfälliger und verächtlicher Weise sprechen, so als wäre das Ganze ein schädlicher Irrtum gewesen, den man auch schon früher hätte erkennen müssen.

Auch nichtsexuelle Freundschaften zwischen unterschiedlichen Geschlechtern kommen seltener vor als gleichgeschlechtliche.

Jenseits von Freundschaft

Ob erste (profitorientierte) oder zweite (sich gegenseitig bereichernde) Art der Freundschaft — auch Freundschaft ist immer eine Beziehung, ein festes Arrangement, und grenzt die Offenheit zu allem, also zur Ganzheit der Existenz, auf eine einzelne Person ein. Es bildet sich dann leicht eine weitere, damit zusammenhängende Vorstellung, nach der anonyme Personen, mit denen man noch keine Beziehung hatte, weiter weg von einem und unvertrauter wären. Man meint, man würde den einen Menschen mehr kennen und den anderen weniger. Dies trifft nicht zu, sondern wieviel Zugang man zu einem anderen erhält, hängt immer von einem selbst und der eigenen Offenheit und Unvoreingenommenheit ab. Ist diese vorhanden, so ist es möglich, daß man jemand trifft, den man noch niemals gesehen hat, und dennoch einen tieferen Kontakt erlebt als in fast allen vorherigen Fällen.

Auch das kann man Freundschaft nennen, nämlich wenn man das Wort im Sinn von Seelenverwandtschaft und wechselseitigem Vertrauen nimmt. Es besteht dann zwischen Menschen eine feine Verbindung, die für beide Seiten spürbar ist.

Der Kern dieser Erfahrung hat mit dem Selbst zu tun, das alle scheinbar verschiedenen Personen zuinnerst miteinander verbindet. Denn jenseits der „Ichs“ gibt es nur ein Selbst, und dieses ist für alle dasselbe und wird von allen genau gleich erfahren. Es kann gut sein, daß „Freund“ nur ein anderes Wort dafür ist, den Zugang zu dieser zentralen Erfahrung wiederzufinden. Und wer das nicht nur theoretisch weiß, sondern auch in seinem Leben so erlebt, für den ist dann alles und jedes Freund, nicht nur ein anderer Mensch, sondern auch ein Tier, eine Pflanze, jeder scheinbar unbelebte Gegenstand, ja die ganze Welt.

Veränderung der Bedeutung von Freundschaft ab Beginn einer Selbsterkenntnis-Aktivität

Durch spirituelle Ernsthaftigkeit ausgelöste Veränderungen

Durch Eintritt in eine Selbsterkenntnis-Unternehmung bzw. durch Beginn einer Umorientierung der Lebensziele in Richtung auf Bewußtwerdung und Selbstentfaltung ändert sich auch ganz konkret die Bedeutung von Freundschaft für einen selbst. Zum einen in der Art wie im vorigen Abschnitt angedeutet: Starre Schablonen und Strukturen in Bezug auf persönlichen Umgang werden transzendiert und es findet eine allgemeine Öffnung dem ganzen Fluß des Lebens gegenüber statt. Der andere wichtige Aspekt betrifft den Unterschied zwischen einer Selbsterkenntnis-Unternehmung und dem Alltagsleben. Dadurch, daß man selbst in einen neuen inneren Bereich vordringt und dort andere, tiefere Erfahrungen macht, bei denen alte Konzepte und Glaubenssätze nach und nach zerbrechen und abgetan werden, gibt es mit den sogenannten „alten Freunden“ von früher immer weniger gemeinsame Verständigungsmöglichkeiten und Berührungspunkte — denn diese leben ja weiterhin in ihrer Welt fester Anschauungen, wo z.B. das eigene falsche Selbstbild nicht in Frage gestellt wird und auch nicht in Frage gestellt werden darf.

Und umgekehrt wird der im Alltagsleben übliche hohe Stellenwert von „Unterhaltung“, „Zerstreuung“, „Ablenkung“ oder „Vergnügen“ zwischen beiden Seiten nicht mehr geteilt. Spirituelle Ernsthaftigkeit und Verantwortlichkeit dem eigenen Gewissen gegenüber wird im Alltagsleben als „Unfreiheit“, „Druck“, „Zwang“, „Humorlosigkeit“, „Prinzipienreiterei“ oder „Überheblichkeit“ interpretiert, da dieses keine andere Schublade findet, um das andere Verhalten richtig einzuordnen. Es spürt da eine Forderung zur Wahrhaftigkeit und Treue sich selbst gegenüber, der es nicht zu entsprechen gewillt ist — und so wird das Gegenüber, das dies anders sieht und erlebt, zu einer lebendigen Provokation, die einen permanent an das eigene Ungenügen erinnert.

Andere Umgangsweisen innerhalb der Selbsterkenntnis-Aktivität und ein neues Verständnis von echter Freundschaft

Auf einmal gibt es vieles, über das man beim besten Willen nicht miteinander sprechen kann (etwa so wie bei jemand, der mehrere Jahre in China gelebt hat und diese Erfahrung denjenigen, die in der Heimat geblieben sind, unmöglich mitteilen könnte). So gibt es dann in der Selbsterkenntnis-Aktivität eine andere, wesentlichere und ernsthaftere Art von Freundschaft, die weniger auf vordergründigen instinktiven, emotionalen oder intellektuellen Übereinstimmungen beruht, sondern mehr auf besserem Verständnis für die existentielle Situation des Menschen angesichts entscheidender Fragen wie Selbstfindung („Wer bin ich wirklich?“), Überwindung des Leidens sowie Auseinandersetzung mit Leben und Tod in jeglicher Hinsicht.

"Alte Freunde"

Erfahrungen in einer Selbsterkenntnis-Aktivität führen früher oder später stets dazu, daß die Wahrheit über alte Freunde herauskommt. Man stellt überrascht fest, daß Menschen, die man vorher als „gute Freunde“ einzustufen gewohnt gewesen ist, gar nicht wirklich an einem interessiert sind.

Diese Erfahrung, vor allem die Schwierigkeit, sich selbst dann von diesen „Freunden“ zu lösen, wenn man merkt, was dabei nicht stimmt, ist bereits von Carlos Castaneda in seinen Büchern mit vielen eindringlichen Beispielen dargestellt worden.

Die Krise

Das Kriterium für den Tod eines Zauberers ist es, daß es für ihn keinen Unterschied macht, ob er allein oder in Gesellschaft ist. An dem Tag, an dem du nicht die Gesellschaft deiner Freunde suchst, die du als Schutzschild benutzt, an diesem Tag ist deine Person gestorben. Don Juan, siehe Link

Auch im Ouspensky-Buch Auf der Suche nach dem Wunderbaren gibt es eine aufschlußreiche Passage, in der beschrieben wird, wie die „Freunde“ und Bekannten auf das Thema Bewußtheit reagieren.

Gerd-Lothar Reschke 9.1.2008 (aus NR-Wiki)

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freundschaft.txt · Zuletzt geändert: 31.10.2023-19:45 von 127.0.0.1

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